Grandiose Wechmarer Festspiele in fünfter Auflage
„Alles geht den Bach hinüber“ überzeugte mit gutem Witz und sehr viel Historie
Begeisterte Besucher, nicht nur aus vielen Orten Thüringens, sondern auch aus Hammersbach, Romrod und Sontra in Hessen, aus Mainz, Magdeburg, Berlin, Pfungstadt, Bad Schwallbach, Göttingen, Hösbach in Bayern und Schleswig kamen in die Sankt Viti Kirche Wechmar, um die zweitägigen Veit-Bach-Festspiele zu genießen. Ja, Genuss, ist das richtige Wort, will man kurz charakterisieren, was viele der Zuschauer empfanden.
Aus der Feder von Knut Kreuch war zum vierten Male ein Volksschauspiel im wahrsten Sinne des Wortes entsprungen. Den Menschen auf den Mund geschaut, ihnen Rollen auf den Leib zu schneidern, eine reiche Geschichte zu witzigen Dialogen zusammen zu fassen und dabei gekonnt aktuelle Bezüge einzuschieben, das ist echtes Volksschauspiel aus Wechmar, das zum ersten Male von Aniela Liebezeit gefühlvoll und gekonnt inszeniert worden ist.
„Alles geht den Bach hinüber“ so der vielversprechende Titel des Stückes und im Mittelpunkt standen Hedwig Schlimbach, gespielt von Grit Schack, die wohlhabende Witwe aus Wechmar mit ihren zwei Töchtern Rosalie und Marie (Heidi Harting und Natalie Kreuch), die immer noch ihrem nach Amerika ausgewanderten Traummann William Veit Bach nach trauert. Als sie von dessen Erfolg als Theaterstar in Amerika erfährt, und er sich ankündigt auf Europa-Tournee zu gehen, da spielen in Wechmar plötzlich alle verrückt. Schultheiß und Rektor zanken samt ihrer Weiber, wer wohl schuld ist an der Auswanderung so vieler Mitbürger. Auch die Beratung durch Forstmeister und Frau helfen beiden nicht, ihre Spannungen zu überwinden. Selbst Komponist Franz Liszt versucht durch List und Tücke die trübe Stimmung im Dorf zu vertreiben.
Nur die Hebamme und ihre bunte Kinderschar bringen ab und zu ein wenig Leben ins Dorf. Weiber, die den Namen Bach als zweite Silbe im Familiennamen tragen, so die Breitbachs, Thürbachs, Schambachs, Krombachs und Steinbachs streiten schamlos und die feschen Wirtinnen freuen sich beim „Wechmarer Wein“, das endlich wieder Gäste zum Erntefest ins Dorf kommen sollen. Zwischen Kesselsuppe und furztrockenem Kuchen tratschen im Laden des Krämers und seiner schönen Tochter der Fleischer und seine Frau mit dem Bäckermeister und dessen geschäftstüchtiger Gattin, die gar nicht müde wird, ihren leckeren Kuchen an die Kunden zu bringen.
Schöne Solostimmen von Irona Stichling, Anita Häusner, Natalie und Bärbel Kreuch aber vor allem auch das dunkle Timbre der Russin Katharina, dargestellt von Johanna Schack, machten aus dem Spiel der Akteure eine schwungvolle Komödie. Besonders überzeugend brillierte Hauptdarsteller Arno Küch, der als William Veit Bach mit seinem Sohn Lenard (David Mäder) nicht nur in Amerika, sondern auch nach seiner Rückkehr in Wechmar eine fantastische Figur bot. Mit bekannten Musicalmelodien holte er nicht nur seine Mitspieler auf den Marktplatz sondern zog auch die Zuschauer in seinen Bann. Und dass alles aufs Zeitungsbild passt, dafür sorgte der sensationssüchtige Journalist Mark Twain. Wenn Multitalent Wolfgang Herz in seiner Rolle als Jeans-Erfinder Levis Strauß die Bühne betrat, dann war ein Charmeur zu erleben, der mit seinen Neckereien rund um die Wirtinnen dem Stück die ganz besondere Note der unzerreißbaren großen Welt verlieh. David Mäder, seit 2012 eine Entdeckung auf der Bühne, war in seinen glamourösen Kostümen nicht zu bremsen und entwickelte wieder ungeahntes schauspielerisches Temperament. Für Elisabeth und Martin Müller Schmied hieß es zum ersten Male „Alles geht den Bach hinüber“ und wo Frau und Herr Datterich ihrer Musik frönten, dann ging es unverwüstlich von Bach bis DeepPurple. Natürlich durfte zum Schluss auch ein Gast nicht fehlen. Mit dem Gesang „Hello Dolly“ lockte William Veit Bach seine Tante aus dem Versteck des Schiffes mit dem die Auswanderer nach Wechmar zurückkehrten. In diesem Moment schlug die große Stunde von Knut Kreuch. Unter dem Schwarzwälder roten Pollenhut versteckt kam der Ideengeber der Festspiele im feschen Dirndl, blauen Strümpfen und roten Pantoffeln auf die Bühne, um eine merkwürdig witzige Geschichte zu erzählen, denn, er kam, wie er behauptete, direkt von der New Yorker Steuben-Parade und hatte alles angezogen, was er dort am Straßenrand fand und so trug er am Körper, eben eine bunte Mischung der deutschen Trachtenlandschaft.
Zwei Tänze der Trachtentanzgruppe dazu drei flotte Melodien vom Chor des Heimatvereins gemeinsam mit der Gesangsvereinigung Seebergen, Stücke auf dem Dudelsack von den Wechmarer Mühlenpfeiffern und zwei Fahnenschwingende Choreografien von Frank Hößel aus Kaltenlengsfeld machten eine meisterhafte Szenerie aus, die dadurch noch erfrischender wirkte, weil bei den Studnitz-Mäusen die ganz Kleinen schon ganz toll tanzten und die Größeren am Broadway die Beine schmeißen durften. Ein gemeinsamer Tampet lud ein zum Abschlussbild, indem Johann Sebastian Bach persönlich, gespielt von Bach-Ur…enkel Elmar von Kolson, sein Loblied auf die Wechmarer sang und jeder auf der Bühne seinen Wunsch für die Zukunft äußerte.
Als alle beschworen „Ich war noch niemals in New York“ war Schluss und jeder hatte sein Bestes gegeben. Rund 100 Mitwirkende waren auf und hinter der Bühne dafür verantwortlich, dass in vier wunderschönen Bühnenbildern der Gothaerin Natali Schmidt, umkränzt von Anitas und Christinas geschmackvollen Naturdekorationen, ein lebendiges zweistündiges Volksschauspiel über die Bühne ging, was die Besucher am Schluss zu minutenlangen Standing Ovations bewegte und sie durch ein Spalier der Schauspieler auf dem Kirchplatz in die warme Nacht davon ziehen ließ.
Und wenn sie nicht gestorben sind, gibt es im Jahr 2020 in Wechmar die nächsten Veit-Bach-Festspiele– ganz bestimmt!
Text: Knut Kreuch