Justin und David aus Hüpstedt stehen in alter Tradition
Wie einst war jüngst das Bild in der Wechmarer Veit-Bach-Mühle: Auf Einladung des Thüringer Landestrachtenverbandes trafen sich dort Thüringer Spinnerinnen und Spinner. Frauen aus Hüpstedt, Friemar und Sonneborn drehten die Räder. Besonders Augenmerk zogen der zwölfjährige Justin Neubauer und der zehnjährige David Löck aus Hüpstedt im Eichsfeld auf sich. Ja gab es denn das früher, spinnende Jungs?
Industriellen Garnhunger stillen
Als Adolf Friedrich Magerstedt 1862 die „Forst- und Landwirtschaftschaft des Fürstentums Schwarzburg – Sondershausen“ beschrieb, kam er auch darauf zu sprechen, dass sich die Männer am Rade betätigten und sogar der kärglich besoldete Schulmeister und der Tagelöhner spannen. Wie war der Drang der Männer nach dem Spinnrad entstanden? Der Garnhunger der Manufakturen verlangte nach Gesponnenem. Webereien mussten mit Rohstoffen zur Herstellung von Produkten befriedrigt werden. So setzten sich sogar mitunter Bauern und Knechte ans Spinnrad. Auch die Schuljungen mussten wie die Mädchen mit ran. Insofern stehen Justin und David also in ganz alter Tradition.
Und sie sind nicht allein, wie Luise Bachmann vom Eichsfelder Heimat- und Wanderverein Hüpstedt zu berichten wusste. „Mir liegt es am Herzen, dass die Spinnkunst weiter gegeben wird. Deshalb versuche ich, den Nachwuchs dafür zu begeistern.“ Doch die 77jährige kann dazu nicht warten, bis die Kinder zu ihr kommen. Sie geht in die Schulen und führt dort das Spinnen vor. So gibt es mittlerweile eine Gruppe aus Mädchen und Jungen, die eifrig dem drehenden Handwerk frönen. „Mir macht es einfach Spaß, es ist schön, wenn man sieht, wie etwas entsteht.“, so Justin. Er wusste bis zu der Veranstaltung auch noch nicht, dass Männer und Jungen früher ebenfalls spannen und kaufte sich deshalb aus Interesse mal gleich die Broschüre über Spinnstuben, die der Landestrachtenverband anbot.
2015 wieder Wettspinnen
Rund um die Spinnerei lief ein zweistündigies Rahmenprogramm, unter ander mit Geschichten aus dem Buch „Thüringer Hochzeit“, welches zahlreiche Vereine des Landestrachtenverbandes vorstellt. Mit Schnurren und Moritaten erfreute der Bänkelsänger Markus von Vippach. Für das leibliche Wohl zeichnete sich die Veit-Bach-Mühle mit bestem Backwerk aus dem alten Backofen verantwortlich. Der Landestrachtenverband stellte eine neue Weife zum Garnmessen vor, die der Lamspringer Produktdesigner Helge Ebert akribisch genau nach historischem Vorbild gefertigt hatte.
Für Gerhard Wegerich aus Hüpstedt war es ein ganz besonderer Tag, konnte er doch ankündigen, dass das 4. Thüringer Wettspinnen am 30. August 2015 im historischen Gutshaus seines Heimatortes stattfindet. „Wir freuen uns auf zahlreiche Wettbewerber“.
Dirk Koch