Trachten in Stein
Grabsteine in Elxleben und Niederzimmern erzählen von vergangenen Kleidungssitten
Wohlhabend waren sie, die Bauern um Erfurt. Die guten Böden gaben einiges her, die stattlichen Höfe zeigen es bis heute. Wer schon länger beim Thüringer Trachtenverband ist, weiß, dass ich 2002 dazu aufrief, Thüringer Grabsteine mit Trachtendarstellungen an den Verband zu melden. Doch nebenbei entdecken wir auf unseren Touren immer wieder einige historische Monumente, so bei den Recherchen für den Wehrkirchenkalender. Nicht immer kann man noch viel über die alten Grabsteine erfahren, jedoch sprechen sie zu uns mit ihren Bildern. Grabsteine dieser Art konnten sich nur besser situierte Personen leisten.
Östlich von Erfurt, am Fuße des Ettersberges liegt Niederzimmern. Hier fällt nicht nur der zinnenbekrönte Kirchturm ins Auge, sondern auch die zahlreichen historischen Grabdenkmäler. Einer ist überdacht und zeigt zwei Personen. Interessant die Kopfbedeckung der sichtlich jungen Frau. Sie scheint keine Haare auf dem Kopf zu haben und die Haube ähnelt der Brauthaube unserer Tabarzer Trachtenfreundinnen. Ein Sträußchen ragt heraus. Dort wird berichtet, dass der Braut zur Hochzeit alle Haare abrasiert wurden und die Haube dann aufgeklebt wurde. Wurde hier vielleicht eine Braut bestattet? Vor dem gefingerten Mieder hält die Frau eine Blume oder Pflanze in der Hand. Auf Grabmalen dieser Zeit tragen Dargestellte manchmal Blumen oder Früchte, die den Verwesungsgeruch bannen sollten. Symbolisch auf dem Grabstein! Eng um den Hals ist ein Band gewunden. Der junge Mann trägt einen Gehrock mit Stofflappen über den Taschen, seine Frisur erinnert an eine Perücke und soll wohl auch eine darstellen. Es handelt sich hier nicht um Braut und Bräutigam, sondern um ein Geschwisterpaar. Vielleicht bedeutet die Darstellung im festlichen Hochzeitsstaat die Verehelichung mit dem Himmel. Unsere Altvorderen schufen gerne solche Symboliken. Margarethe Tromlitz starb 1724, ihr Bruder Victor 1725. Bis heute halten sich ihre zwei steinernen Reliefs in geschwisterlicher Liebe für die Ewigkeit an den Händen.
Nördlich von Erfurt liegt Elxleben an der Gera. Hier hat die Zeit dem historischen Trachtengrabstein schon deutlich zugesetzt, aber trotzdem zeichnen sich die Details gut ab. Der Herr trägt wieder einen längeren Gehrock mit stattlichen Knöpfen, dazu langes Haar. Die Frau hat auf dem Kopf eine Haube mit Stirnschneppe, eine völlig andere Kopfbedeckung als in Niederzimmern. Sie hat ein sichtlich höheres Lebensalter. Das Mieder gestaltet sich einfach, das Halstuch scheint relativ klein.
Nun, dieser Grabstein könnte in einen weiter zu fassenden Zeitraum um 1750 eingeordnet werden, durchaus noch bis kurz vor 1800. Er spricht die Formensprache des Rokoko. Auf dem Dorf hielten sich tradierte Kunstformen lange. Es kann nicht genau gesagt werden, ob die Dargestellten wirklich regionaltypisch gekleidet sind. Sicher tragen sie die einst in diesem Raum übliche Mode, die allerdings dem Musterbuch entnommen sein könnte. Genauso gut kann es sich aber um reale Abbildungen handeln. Wir wissen es nicht, ebenso wie bei dem Niederzimmerner Stein.
Text: Dirk Koch
Fotos: Michael Fiebig